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Atomspion Karl-Heinz Schaab kam gegen Kaution wieder auf freiem Fuß |
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"Rechte Hand Husseins" hatte sich erst September den Behörden gestellt. Von GÜNTER WEBER Münster Der deutsche Atomspion Karl-Heinz Schaab ist wieder auf freiem Fuß. Gestern wurde der 64jährige Ingenieur aus Kaufbeuren, der als führender Kopf des irakischen Atomwaffenprogramms und rechte Hand Saddam Husseins weltweit mit neun Haftbefehlen gesucht wurde, auf Beschluß des Bayerischen Oberlandesgerichts gegen eine Kaution in Höhe von 20000 Mark aus der Untersuchungshaft entlassen. Erst am 24. September dieses Jahres stellte sich, der nach Brasilien geflüchtete Kunststoff-Techniker den deutschen Behörden. Als eine Lufthansa-Maschine aus Sao Paulo auf dem Flughafen in Frankfurt landete, wurde Schaab von fünf Fahndern des Bundeskriminalamtes, einem Bundesanwalt und seinem Verteidiger Michael Rietz aus Münster in Empfang genommen. Rietz hatte seinen Mandanten überzeugt, freiwillig nach Deutschland zurückzukehren, obwohl Brasilien eine Auslieferung des mutmaßlichen Top-Spions abgelehnt hatte. Bevor er in die Justizvollzugsanstalt nach Landsberg mußte, war es sein sehnlichster Wunsch, noch einmal seine kranke Mutter (96) in Sinsheim (Baden-Württemberg) zu sehen. Schaab, der in der Untersuchungshaft ein Geständnis abgelegt hat, muß sich demnächst vor dem 3.Strafsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts wegen Landesverrats und Verstoßes gegen das Außenwirtschaftsgesetz verantworten. Der Generalbundesanwalt wirft dem Angeklagten vor, dem Irak in den Jahren 1989 und 1990 bei der Produktion waffenfähigen Urans geholfen zu haben. Der Kaufbeurener Ingenieur soll für zwei Millionen Mark dem irakischen Diktator Konstruktionspläne zum Bau von Gas-Ultra-Zentrifugen(GUZ) geliefert haben, mit denen eine Anreicherung des Urans 235, wie es zum Bau von Atombomben benötigt wird, möglich ist. Schaab war Spezialist für die Anreicherung von Uran mit Hilfe der GUZ, die eine deutsche Erfindung ist. Ein großer Teil der nach dem Golfkrieg im Irak entdeckten Zeichnungen stammen nach Meinung der Irak-Inspektoren aus Deutschland, einige von ihnen trugen den Aufdruck MAN, dem ehemaligen Arbeitgeber Schaabs. Der 64jährige gelernte Modellbauer soll über die ehemalige Firma H+H-Metallform (Drensteinfurt), deren Geschäftsführer bereits vom Landgericht Münster verurteilt wurden, mit Abgesandten Bagdads Kontakt aufgenommen haben. Wie der münstersche Anwalt Michael Rietz mitteilt, habe Schaab den Schuldvorwurf im Kern eingeräumt. Er habe damals als Chef einer Kaufbeurener Verbundwerkstoff GmbH einen zahlungskräftigen Kunden gebraucht, sei aber nicht der "Macher des Atomprogramms" gewesen. "Die Mitarbeit meines Mandanten war nicht so bedeutsam, wie zunächst vom Generalbundesanwalt angenommen. Karl-Heinz Schaab hat aber einen möglichen militärisch-atomaren Bezug nicht in Abrede gestellt", betonte Michael Rietz, der auch die Geschäftsführer der Firma H+H verteidigt hat. Sein Mandant habe 15 Monate in brasilianischer Abschiebhaft unter den schrecklichsten Bedingungen verbracht, die man Schaab doppelt, wenn nicht dreifach anrechnen müßte. Bei einer Strafzumessung von mindestens fünf Jahren müßte Schaab nach der Hauptverhandlung nicht mehr ins Gefängnis zurück. Der 64jährige, der seine Ausweispapiere beim Senat hinterlegen mußte, muß sich zweimal wöchentlich melden und darf die Bundesrepublik Deutschland nicht verlassen. Münsterische Zeitung, Dienstag 8.Dezember 1998 |