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Uran-Schleuder für Saddam Hussein |
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Der 64jährige Atom-Spezialist soll den Irak mit technischem Geheimmaterial für den Bau der Bombe beliefert haben: München - Den Vereinten Nationen galt er als führender Kopf des irakischen Atomwaffenprogramms; die Internationale Atomenergiebehörde in Wien beschuldigt ihn, für Saddam Hussein eine Urananreicherungsanlage montiert zu haben; Leute wie er lösten im deutsch-amerikanischen Verhältnis zu Beginn der neunziger Jahre eine kleine diplomatische Eiszeit aus: Karl-Heinz Schaab, 64 Jahre alt, Ingenieur von Beruf und seit seiner Zeit bei der MAN-Technologie Spezialist für den Bau komplizierter Zentrifugen, die Uran 235 bombentauglich machen. Vom heutigen Montag an muß sich er wegen Rüstungshilfe für den Irak vorbestrafte Kaufbeurer erneut vor Gericht verantworten. Die Bundesanwaltschaft wirft ihm wegen seiner Beteiligung am irakischen Atomwaffenprogramm Landesverrat vor. Der Prozeß beim 3. Staatsschutzsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts ist vorerst auf sechs Verhandlungstage angesetzt. Karl-Heinz Schaab ist einer der wenigen Entwicklungshelfer des irakischen Diktators auf dem Gebiet der Rüstung, für die sich ein Richter fand. Obwohl sich nach dem Golfkrieg wegen der großen Zahl illegaler Technologietransfers und Materiallieferungen aus deutschen Landen ein internationaler Sturm der Entrüstung über der Bundesrepublik entlud, waren Ende 1997 bereits mehr als die Hälfte der 153 Ermittlungsverfahren eingestellt worden. Ganze zwölf Verfahren gegen deutsche Helfershelfer auf dem Gebiet der Produktion biologischer und chemischer Waffen, bei der Verstärkung der gegen Israel gerichteten Scud-Raketen sowie bei der Jagd nach der Atombombe endeten mit einem Urteil. Und das, obwohl laut UNO 70 Prozent aller Giftgasanlagen auf irakischem Boden und 90 Prozent der Scud-Ersatzteile aus Deutschland stammten. Im Fall Schaab zumindest waren die Ermittler von größerem Ehrgeiz getrieben. Zielfahnder des Bundeskriminalamts stöberten ihn im Dezember 1996 auf. Der Ingenieur hatte sich in Brasilien versteckt. Im September 1998 stellte sich der 64jährige: Seine Frau und seine Mutter waren schwer erkrankt. Die Suche nach Schaab war durch puren Zufall ausgelöst worden: Auf seine Spur stießen UN-Inspekteure, die das Material ausgewertet hatten, das die Saddam-Schwiegersöhne Hussein und Saddam Kamil 1995 bei ihrer Flucht nach Jordanien mitgebracht hatten. Hussein Kamil, zuvor Rüstungsminister und nach dem Diktatoren-Sohn Uday die Nummer drei des Regimes, hatte militärische Unterlagen im Gepäck, in denen sich auch Blaupausen von Schaabs früherem Arbeitgeber MAN-Technologie fanden. Sie beschrieben eine Anlage, die das Unternehmen ursprünglich im Auftrag englischer, holländischer und deutscher Forschungsstellen entwickelt hatte: Die sogenannte Gasultrazentrifuge zur Herstellung von angereichertem Uran. Die Isotopen-Schleuder, zunächst ein rein ziviles Projekt und bei MAN im westfälischen Gronau montiert, erwies sich als ausbaufähig. Schaab hat seine Beteiligung an der Entwicklung der militärischen Variante im Auftrag des Irak nach Angaben seines Verteidigers Michael Rietz zugegeben. Bei der Bewertung des Vorgangs scheiden sich die Geister. Während die Bundesanwaltschaft den Tatbestand des Landesverrats erfüllt sieht, spielt Anwalt Rietz Schaabs Rolle herunter: "Irak war vor dem Krieg realistischerweise zehn Jahre davon entfernt, die Atombombe zu bauen." Anders als Anwalt Rietz sehen die Karlsruher Strafverfolger Geheimnisse der allerobersten Stufe verletzt. Trotzdem setzte ihn das BKA gegen 20 000 Mark Kaution bereits vor einem halben Jahr auf freien Fuß. Und für den Fall einer Verurteilung hat Schaab schon vorgebaut, wenn auch unfreiwillig: Seine 15 Monate in brasilianischer Haft zählen hierzulande ungefähr das Zweieinhalbfache. Süddeutsche Zeitung vom 14. Juni 1999 |