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Verlag Der Tagesspiegel GmbH, 02.April 2003
 
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Verlag Der Tagesspiegel GmbH, 02.April 2003
 
   
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  Atomspion Karl-Heinz Schaab kam gegen Kaution wieder auf freiem Fuß
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Ruhr Nachrichten, 08.Dezember 1998
 
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  Fugitive accused of selling nuclear secrets to Iraq surrenders
News-Times, 25.September 1998
 
  Fugitive accused of selling nuclear secrets to Iraq surrenders
Augusta, 25.September 1998
 
  Atom-Spion
BILD München, 25.September 1998
 
  Atom-Spion stellt sich
BILD, 25.September 1998
 

  Anleitung zum Unschuldigsein
Die Iraker holten das Material direkt bei ihm zu Hause in Kaufbeuren ab. Sehr angenehme Geschäftspartner, gute Zahlungsmoral. Karl-Heinz Schaab hat ihnen geheime Pläne für Saddams Atomwaffenprogramm verkauft. Aber eine Bombe, sagt er, das hätten die nie geschafft.
Von Kerstin Kohlenberg

 
  Die letzte Meldung im Radio, kurz vor der Autobahnabfahrt Kaufbeuren: "Die Amerikaner stellen sich auf einen langen Krieg ein. Die Iraker leisten erbitterten Widerstand." Das Allgäu fliegt stinkend vorbei. Da zumindest ist jeder Widerstand zwecklos. Die Bauern haben ihre Felder frisch gedüngt.

Zur gleichen Zeit steht Karl-Heinz Schaab am Bahnhof von Kaufbeuren und wartet auf seinen Anwalt. Der hatte seinen Fall vor vier Jahren gewonnen, Schaab ist ein freier Mann. Und er ist es doch nicht, wenn man die Dinge mit etwas Abstand betrachtet. So wie Schaab. Wenn man die Wahrheit sehen will. Und im Nachhinein will Schaab nur noch die sehen, die ganze Wahrheit. Weil er hofft, nein, Herr Schaab ist davon überzeugt, dass man ihn in der ganzen Wahrheit gar nicht mehr sehen würde. Er wäre so klein, noch nicht einmal seine Frau würde ihn da noch erkennen. Nur noch ein Pünktchen wäre er dann. Aber wer kennt die schon, die ganze Wahrheit? Am wenigsten Herr Schaab. Denn der glaubt niemandem mehr.

Er ist einmal um die Welt geflohen. Er ist in Brasilien im Gefängnis gelandet und in Deutschland auf Bewährung frei gekommen. Und trotzdem ist er für alle immer noch der Atomspion. Saddams Tüftler. Irgendwann, findet Schaab, müsse doch einmal Schluss sein.

Viele Gardinen, wenig Erinnerung

Schaab sitzt mit seinem Anwalt Michael Rietz im angebauten Wintergarten seines weißen Reihenhauses. Es gibt viele Gardinen und wenig Erinnerungsstücke. Schaabs Arme sind verschränkt, die linke Hand knetet den Oberarm, die rechte umklammert den anderen Arm, als würde er sonst abfallen. Nur wenn sich Sheila durch die Schiebetür in den warmen Wintergarten quetscht, lösen sich die Hände und dann der ganze Mann. „Ja, Mäusele“, sagt Schaab dann und umarmt seinen Chow-Chow ganz fest.

Er ist jetzt 68 Jahre alt, die Haare sind ihm ausgefallen, die Augen schwächer geworden, er hat das Rauchen aufgegeben, und ihm ist ein kleiner Bauch gewachsen. Er trägt Hausschuhe und Strickpullover. Seine Frau steht im Garten, sie will die Worte Zentrifuge, Urananreicherung, Rüstungsskandal nicht mehr hören, sie will auch nicht mehr darüber reden. Deswegen gibt es häufig Streit. Also schreibt Schaab die Dinge auf, die ihm morgens im Kopf herumfliegen. Oder erzählt sie seinem Anwalt. Sie haben viel mit den anderen zu tun, mit denen, die die Sache eingefädelt haben. Und immer weniger mit ihm. Schaabs Prozess 1999 war einer der letzten, in denen es darum ging, wie deutsche Firmen in den 80er Jahren Saddam Hussein bei der Aufrüstung geholfen haben. Und er ist einer der wenigen Verurteilten.

Schaabs Geschichte beginnt 1970 bei MAN. Dort lernt er Bruno Stemmler und Walter Busse kennen, beide Experten für Urananreicherung mit der Gasultra-Zentrifuge. Der Modellbauer Schaab fertigt die Einzelteile dazu. Vor allem Stemmler mochte Schaab gerne. Sie waren im gleichen Alter. Busse war älter und sprach nicht viel über seine Vergangenheit. Aber man wusste, er hatte schon für Hitler geforscht, war nach dem Krieg zuerst nach Ägypten gegangen, hatte dort am Raketenprogramm gearbeitet und war später zu MAN gewechselt. Zu den Irakern hatte er gute Kontakte. 1982 machte Schaab sich selbstständig, und als Stemmler ihm 1989 erzählte, dass er eine Stelle an der Uni in Bagdad in Aussicht habe und noch eine Firma suche, die ihm Teile einer Gaszentrifuge fertige, an der er dort forschen wolle, freute sich Schaab über den Auftrag. Ganz einfach.

Treffen wurden vereinbart, Schaab flog nach Österreich und Bagdad, und er lernte Dietrich Hinze kennen. Der hatte mit seiner Firma H&H Metallform die besten Beziehungen in den Irak. 1994 stand er deshalb auch vor Gericht. H&H soll nicht nur, wie deklariert, Teile für Melkanlagen in den Irak geliefert haben, sondern vor allem Maschinen zur Herstellung von Scud-Raketen im Wert von 46 Millionen Mark. Verteidigt wurde er von Schaabs Anwalt Michael Rietz. Einer der Aufträge, den er nie bestritten hat, ist derzeit jeden Abend im Fernsehen zu sehen. Noch. Zwei riesige Hände halten zwei riesige Schwerter in den Himmel. 74 Meter breit und 34 Meter hoch. Es sind die Hände Saddam Husseins, der dafür Modell stand. 1989 hat er das Denkmal eingeweiht.

"Der Hinze hatte gestern übrigens Geburtstag", sagt Rietz. "Ich war der Erste, der ihm gratuliert hat, um fünf nach zwölf." Es war kein runder Geburtstag, "denn sonst hätte ich Ihnen Bescheid gesagt, Herr Schaab". Rietz hat viele Rüstungsexporteure verteidigt. Und er habe zu fast all seinen Mandaten noch ein gutes Verhältnis. Er hat sie auch alle sehr erfolgreich verteidigt. Hinze zum Beispiel hat Rietz zu einem Teilgeständnis überredet und im Gegenzug eine geringe Strafe ausgehandelt. Viel hatte das Gericht ohnehin nicht in der Hand, denn für die meisten Lieferungen hatte H&H den Unbedenklichkeitsstempel des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle in Eschborn. Vor dem Golfkrieg 1991 war es erlaubt, zivile Waren an den Irak zu verkaufen, auch wenn sie Dual-Use-Goods waren, die zivil und militärisch genutzt werden konnten. Die Staatsanwaltschaft musste in jedem Fall beweisen, dass die Waren speziell für militärischen Gebrauch konstruiert waren. Das gelang so gut wie nie. Hinze bekam damals zwei Jahre und zehn Monate. Momentan verteidigt Rietz Sahib Abd al-Amir al-Haddat, Saddams Rüstungseinkäufer.

Badewannen in der Wüste

"Wissen Sie, was der damalige deutsche Botschafter im Irak dem Hinze mal auf einer Industriemesse bei Bagdad gesagt hat?", fragt Rietz. "Man wisse genau, was deutsche Firmen hier tun, aber was nütze eine Badewanne in der Wüste, wenn die Wasserleitung fehlt?"

Schaab bemühte sich erst gar nicht um den Stempel aus Eschborn. Er fertigte 36 Rotorrohre für die Gaszentrifuge, und die Iraker holten die Teile direkt bei ihm in Kaufbeuren ab. Damit war für Schaab der Fall erledigt. Die Araber seien sehr angenehme Geschäftspartner mit einer guten Zahlungsmoral gewesen, sagt Schaab. Das gebe es selten. Damals, '89, sei der Irak ohnehin eher positiv gesehen worden. Saddam Hussein galt als Schutzschild des Westens und des Ostens gegen Chomeini im Iran. Bis er Kuwait überfiel.

Frau Schaab bringt Michael Rietz etwas zu trinken. "Und was willst du?", fragt sie ihren Mann. "Ich will nichts, nur dich."

War ihm die Vorstellung, dass die Iraker eine Atombombe haben könnten, unangenehm, oder war es ihm egal?

"Die hätten das nie geschafft." Aber angenommen, sie hätten die Möglichkeit gehabt? Wäre es ihm egal gewesen? Die Frage stelle sich nicht, die hätten das nie geschafft.

"Die Büchse der Pandora", sagt Rietz, die sei doch schon lange geöffnet. Und, dass man das nicht mehr rückgängig machen könne. „Das Wissen, wie man eine Atombombe baut, ist in der Welt. Und es sucht sich seinen Weg, ob uns das gefällt oder nicht.“ Rietz hält einen langen Monolog über Wahrheit, Recht, Moral, Kant, Hölderlin, Physik, Metapysik und Religion. Ein langes Plädoyer, das die Schuld von Schaab auf Einstein umverteilt.

1993 wurde Schaab zu elf Monaten auf Bewährung und 20000 Mark Strafe verurteilt. Der Export war bekannt geworden. Und es fehlte die Genehmigung. 1995 fanden UN-Inspekteure auf einen Tipp des geflohenen Saddam-Schwiegersohns Kamel Hassan hin 147 Kisten mit geheimen Rüstungsplänen des Irak auf einer Geflügelfarm bei Bagdad. Unter anderem Lieferbestätigungen für Zentrifugenteile und vertrauliche MAN-Zeichnungen für den Bau einer vollständigen Gasultra-Zentrifuge. Überall stand ein Name drauf. Karl-Heinz Schaab. War Schaab ein Atomspion?

Schaab saß auf einem Liegestuhl vor seinem Ferienhaus auf Teneriffa, als er die Schlagzeile in der "Bild"-Zeitung las. Die Inspekteure hatten den UN-Sicherheitsrat informiert und das Auswärtige Amt in Bonn. Der Generalbundesanwalt übernahm das Verfahren, und in der Zwischenzeit landete die Nachricht bei "Bild", Schaab war gewarnt. Er flüchtete mit seiner Frau nach Brasilien.

Eine Geschichte wie im Kino. Und da wird sie bald auch zu sehen sein. Rietz hat zuerst die Dokumentarfilmrechte und jetzt auch noch die Spielfilmrechte an Schaabs Geschichte verkauft. „Da machen wir gar kein Geheimnis draus“, sagt Rietz. "Das hat Teile der Prozesskosten gedeckt."

Das Ende einer Flucht

Die Dokumentarfilmer erklären sich Schaabs Aufenthalt in Brasilien mit den guten Kontakten seines MAN-Bekannten Walter Busse zur brasilianischen Regierung und ihrem zivilen Atomprogramm. Quatsch sei das, sagt Schaab. Er habe in Brasilien nicht gearbeitet. Punkt. Schaab ist so einsilbig wie während des ganzen Gesprächs.

Als Schaab nach einjähriger Flucht in Rio seine Aufenthaltsgenehmigung verlängern will, wird er festgenommen. Nach 15 Monaten im Gefängnis wechselt er den Anwalt. Rietz fliegt nach Brasilien, überredet Schaab, wie schon vorher Hinze, zu einem Teilgeständnis, im Gegenzug werde er eine milde Strafe aushandeln.

Schaab gibt zu, dass er die Zentrifugen- Pläne für 100000 Mark an die Iraker verkauft hat. Stemmler habe sie ihm gegeben und ihn um den Verkauf gebeten. Und er habe immer geglaubt, die Pläne seien für Stemmlers Uni-Projekt in Bagdad. Das Gericht verurteilte Schaab zu fünf Jahren und einer Geldstrafe. Die Haft in Brasilien wurde dreifach angerechnet, der Rest auf Bewährung ausgesetzt. Schaab konnte nach Hause gehen. Walter Busse und Bruno Stemmler wurden nicht angeklagt. Sie waren beide kurz hintereinander verstorben. „Komisch, oder?“, sagt Schaab. Er fühlt sich betrogen, von Stemmler, vom System, und vielleicht hat er Recht. Es hat ihm aber auch zu keinem Zeitpunkt jemand verboten nachzudenken.

Rietz’ Handy klingelt. Ein Journalist will etwas über den Prozess gegen al-Haddat wissen, Saddams Waffeneinkäufer. Rietz erklärt, der Staatsanwalt werde es schwer haben zu beweisen, dass die Teile, die Haddat in Deutschland eingekauft hat, wirklich im Irak gelandet sind. Wenn die Amis allerdings nach dem Krieg die Unterlagen der Iraker erbeuteten, dann gehe es vielen deutschen Firmen an den Kragen. Dann käme auf deutsche Unternehmen eine Flut neuer Verfahren zu. Ja, sagt Rietz, damit könne man ihn zitieren. Rietz schaut zu Schaab. Ob er jetzt etwas Falsches gemacht habe, dass man ihn mit dem Satz zitieren könne? Nein, sagt Schaab, man müsse endlich auch mal die Großen kriegen.

Verlag Der Tagesspiegel GmbH, 02.04.2003