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Schaab: "Ich war damals sehr blauäugig" |
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Atomspion wollte mit der Weitergabe von Informationen und Spezialteilen seinem Freund einen Gefallen tun München- Eine Gefälligkeit für einen Freund und Aufträge für die eigene angeschlagene Firma. So hat Karl-Heinz Schaab vor dem Bayerischen Obersten Landesgericht erklärt, warum er Mitarbeitern des irakischen Atomprogramms Pläne und Teile zur Verfügung gestellt und am Bau einer Zentrifuge zur Anreicherung von Uran mitgewirkt hat. Am zweiten Verhandlungstag des Verfahrens wegen Landesverrates trug Schaab ruhig und gefaßt die Geschichte seiner Kontakte in den Irak vor. So habe ihm ein langjähriger Freund und Ex-Kollege bei MAN, der inzwischen verstorben ist, im April 1989 eröffnet, daß er eine Professur an der Universität Bagdad in Aussicht habe. Zudem hätte die irakische Uni einen Auftrag für Schaabs Verbundwerkstoff-Firma. Wenige Wochen später besuchte eine irakische Delegation die Betriebsräume in Kaufbeuren. Sie hätten sich insbesondere für kugelsichere Platten aus faserverstärktem Kunststoff (CFK) interessiert. Bei einem Gegenbesuch Schaabs in Bagdad sei von Panzerplatten allerdings kaum noch die Rede gewesen. Die Iraker zeigten ihm vielmehr den Plan einer Gas-Ultra-Zentrifuge zur Anreicherung von Uran, die aus Stahlteilen besteht, und fragten den Werkstoff-Experten, ob man ein solches Gerät auch aus faserverstärkten Kunststoff (CFK) fertigen könne. In dem Glauben, es handele sich um ein Forschungsprojekt der Universität, habe Schaab die Iraker beraten und prompt den Auftrag zur Entwicklung einer Maschine bekommen, mit der man CFK-Rohre herstellen kann. Im August 1989 folgte dann ein weiteres Treffen. Auf der Fahrt dorthin habe ihn sein Freund gebeten, den Irakern Konstruktionszeichnungen für Zentrifugen-Teile zum Kauf anzubieten. Schaab übergab die als vertraulich deklarierten Pläne, welche sein Kollege in einem Schließfach im Wiener Westbahnhof deponierte und erhielt dafür 100 000 Mark in bar. Nach eigenen Angaben schöpfte Schaab selbst nach dieser konspirativen Aktion keinen Verdacht. Er sei immer davon ausgegangen, daß er nur ein Forschungsprojekt seines Freundes unterstütze. "Ich war damals sehr blauäugig" sagte Schaab rückblickend. Im Januar 1990 habe Schaab dann den Auftrag für 20 CFK-Rohre und weitere Teile (Kaufpreis rund eine Million Mark) erhalten, die von den Irakern zwei Monate später persönlich in Kaufbeuren abgeholt worden seien. Die Abrechnung dieses Auftrages sei aber ganz normal von einer Bank abgewickelt worden, die Einnahmen tauchten selbst in seiner Steuererklärung auf, so Schaab. Im April 1990 schließlich seien er und seine Frau dann zu einem zweiwöchigen Urlaub in den Irak eingeladen worden. Nach einem "interessanten Kulturprogramm" (Schaab) habe man ihn an den letzten drei Abenden der Reise in ein Labor gebracht, wo er die von ihm gelieferten Teile und Meßgeräte wiederfand. Schaab wurde gebeten, die Teile zur Zentrifuge zu montieren. Doch schon bei einem der ersten Probeläufe habe die Zentrifuge schwere Schäden davongetragen und sei nicht mehr einsatzfähig gewesen. Nach der Rückkehr der Schaabs sei der Kontakt in den Irak abgebrochen. Die kritische Nachfrage der Richter, ob er tatsächlich zu keinem Zeitpunkt daran gedacht habe, daß das vermeintliche Forschungsprojekt dazu dienen könnte, Atombomben für den Irak zu entwickeln, verneinte Schaab beständig: "Ich bin in die Sache hineingeraten und habe zu lange mitgemacht", erklärte Schaab. "Es war nie meine Absicht, jemandem Schaden zuzufügen." AZ vom 16. Juni 1999 |